Mit Lego Kunst Bauen

Foto: Derstroff

Donaukurier, 14.03.14
Ingolstadt (DK) Vor artfremden Materialien hat sich Ottmar Hörl noch nie gefürchtet. Der Mann, der mit seriell aufgebauten Kunststofffiguren von Hasen über Zwerge und Wagner-Hunde bis hin zu Venusstatuetten populär geworden ist, scheute in der Vergangenheit außer vor Kunststoff weder vor Seife, Besenborsten, Drainagerohren oder Mülleimern zurück, um sie – „Unschuldsseife“, „Besenstücke“, Knoten „Im gordischen Stil“ oder „Street Gang“ – in veritable Kunst zu transformieren.

Nun aber fiel das Auge Hörls ausgerechnet auf Legosteine, und das klingt als Baumaterial für Kunst derart riskant, dass man befürchten könnte, der rührige Präsident der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg hätte sich diesmal in der Materialwahl doch verhoben.

Hat er aber nicht. Im Gegenteil. Was der 64-Jährige derzeit in der Ingolstädter Galerie Haas zeigt – nämlich aus den ganz banalen Noppensteinen geschaffene Bilder und Objekte – ist frisch und jung und löst den altbekannten Anspruch vieler zeitgenössischer Künstler nach Materialumwidmung ungeheuer überzeugend ein. Denn Hörl baut nicht und bastelt nicht, er bildhauert – und fast schöner noch: Er malt – mittels der Legosteine. Nutzt für die Objekte ihre scharfen Kanten, ihren monochromen Glanz, ihre konkrete Form, und für die Bilder ihre entschlossene Farbigkeit in Rot, Grün, Schwarz und ihre geraden Linien. Da entstehen dann im wahrsten Sinne des Wortes konkrete, weil farbformale und geometrische Bildreliefs, rote Quadratkreuze etwa auf schwarzem Grund, oder ein linear gerastertes Spiel aus Diagonalen, Vertikalen und Horizontalen in Grün, Rot und Schwarz. Lego? Hat man schon fast vergessen, wenn man den Linien folgt.

Herzstück der Schau, zu der auch noch ein paar runde Besenstücke und eine Schrift-Objekt-Installation gehören, freilich ist der Schwarze Diamant im großen Raum der Galerie: Ein geheimnisvoll mehreckiges Gebilde, glanzkohleschwarz, wie eine kubische Pressung von Kohlenstoff. 32 000 schwarze Legosteine hat Hörl für den kniehohen Asteroiden verbaut, in, wie er berichtet, schlaflosen Nächten und mit zunehmend blutenden Fingerspitzen. Unzählige monatelange Fehlversuche hat er gebraucht, bis er sich das Material so angeeignet hatte, dass das massive Objekt entstehen konnte, welches nun zwei Männer an seinen Galerienstandort schleppen mussten. Und hier liegt es nun: Faszinierend und fremd, eckig und fingerspitzenverlockend. Lego und doch kein Legospiel: Gelungene Verwandlung eines banalen Stoffs. „Jedes Material eignet sich für Kunst“, bekräftigte Ottmar Hörl bei der Vernissage, „man muss es nur verstehen“. Das Wesen des Materials Lego hat der Professor offenbar tief innerlich durchschaut.

 

Von Karin Derstroff