Es werde Licht

Ingolstadt (DK) Licht ist am schönsten, wenn es dunkel ist. Also hat die Galerie Haas in den ersten beiden Oktoberwochen ihre Öffnungszeiten angepasst: Bis 20 Uhr ist auf – und damit kann man, kommt man gegen Ende, in urbaner Dämmerungsatmosphäre wohl leuchtender erleben, was drei Künstler so anrichten in der Galerie: Nämlich eben Lux und Lumen als Werk- und Wirkstoff für Konkrete Kunst.

„Lichtkunstkunstlicht“ heißt logischerweise die Schau, die Arbeiten von Miriam Prantl, Hermann Präg und Selzuc Dizlek zeigt. Jedem Protagonisten gehört ein Raum, dem türkischstämmigen Schweinfurter Dizlek mit seinen eher kleinen Arbeiten erstaunlicherweise der große erste. Aus fluoreszierenden Plexiglasstreifen baut der 38-Jährige Objektkästen für die Wand; konkrete Bilder eigentlich, in denen die leuchtenden Kanten des Acryls stetig vertikale, horizontale, diagonale Linien ziehen – Verkehrsströme in der Nacht, beim Betrachten unterlegt von imaginärem Rauschen. Apropos Nacht: Allein für diesen Raum sei der späte Besuch dringend empfohlen! Denn zu Dizleks Werken gehört das Schwarzlicht an der Decke – leuchtend und haptisch zugleich macht es die Bilder, die im Tageslicht doch eher müde schimmern.

Ein ganz anderes Schimmern, ein poetisches, wesenloses, weißes, dann im zweiten Raum, dem kleinen. Er gehört Hermann Präg, einem, wie Dizlek, studierten Maler, 58 Jahre alt und wie die Dritte im Bunde, Miriam Prantl, im österreichischen Vorarlberg zu Haus. Zwei Wandobjekte und eine Lichtsäule zeigt Präg, Arbeiten, deren kompliziertes Innenleben berückend schwerelose Körper schafft. Plexiglasstücke, LEDs und Spiegel geben im Inneren insgeheim Richtung vor, setzen Brenn- und Leuchtpunkte in fast zeichnerischem Rhythmus. Weil aber ein feines Gewebenetz Kästen und Säule außen formt, bleibt das Technik-Herz diffus verborgen, bleibt nur Licht an sich. Und welch ein Licht!

„Crystal white mit 7.500 K“ heißt das geradezu spirituell erhellte Weiß, das die Körper füllt, ausdehnt, strukturiert. Freilich hätte man den drei Arbeiten größeren Raum gewünscht, Abstand zueinander und zum Galeriengast. Bleibt Miriam Prantl, die nun den hinteren Galerienraum bespielt und für eben dieses Spiel mit dem gesamten Farblichtspektrum schlicht 14 LED-Lichtröhren nach Ingolstadt mitbrachte. Eine nach der anderen sind sie – zehn am Boden, vier aufsteigend an der Wand – hintereinander arrangiert wie zu einem Lattenrost aus Licht. Wie das changiert, Stange für Stange, in allen Regenbogenfarben, auf unfassbar delikate Weise! Wie es sich abschwächt und ermattet, wiedererstarkt und leuchtend wird, ohne wahrnehmbare Übergänge, in einem langsam sanften, mitnichten spektakulären Rhythmus. Elf Minuten dauert es, bis sich die Programmierung wiederholt; dem Auge freilich ist das ganz egal, es kann die Farbfolge technisch eh nicht erfassen und schwelgt, kuschelt lieber in diesem so weichen, so konkreten Bett aus Licht. Kann sein, dass die heute 49-jährige Prantl, früher Tänzerin in Karlsruhes Corps de Ballet, dann Schauspielerin, nun zweifach akademische Künstlerin, die etwa die Kunsthalle Bregenz mit einer großen Fassadeninstallation bestückte, ihre „Lichtreihe“ ganz anders sieht – aber was eignet sich schließlich besser zur freien Assoziation als Licht?

Von Karin Derstroff